Tagung

Mode und Gender

Mode ist gestaltete Identität. Ein wichtiger Aspekt innerhalb dieses aktuell viel diskutierten Themas ist die geschlechtliche Zugehörigkeit und die sexuelle Orientierung. Seit Mitte der 1980er Jahre haben Historikerinnen wie Cheryl Buckley und Penny Sparke die design-immanenten patriarchalen und diskriminierenden Strukturen analysiert. Mit der Etablierung der Fashion Studies begann zeitgleich die spezifische Auseinandersetzung mit Mode und deren essenzieller Funktion, Geschlecht und Geschlechterdifferenzen zu markieren und hervorzubringen. Pionierinnen, wie Gertrud Lehnert, Barbara Vinken und Gundula Wolter, haben im deutschen Sprachraum eigenständige historisch-kritische, feministische und schliesslich queertheoretische Diskurse angestossen und mitgetragen. Darauf kann die gegenwärtige Modeforschung aufbauen und neue Perspektiven entwickeln.

Die Tagung erkundet in einer breiten Auslegeordnung, wie Genderdebatten von der Mode profitieren können und wie Modegeschichte durch einen kritischen Genderblick gewinnt. Am Anfang steht die kritische Hinterfragung des Begriffs und Vorschläge zum queeren Gegenlesen. Es wird Bezug auf die Konzepte der 90er Jahre genommen, Einflüsse verschiedener Theorien aufgezeigt und die Bedeutung für die Praxis verdeutlicht. Anschliessend werden unterschiedliche Zugänge vorgestellt, von objektbezogenen Dimensionen über Emanzipationsprozesse bis zum Opernkostüm. Es folgt eine historische Perspektive, die sich vor allem der Bedeutung des 19. Jahrhundert widmet und sich mit Reitkostümen, Reformkleidern und dem Promenadenanzug beschäftigt. Ein wichtiger Aspekt ist die Sicht von Gestalter:innen, sie schildern ihren Umgang mit dem Thema in der Praxis und ermöglichen die Reflexion anhand des Designs. In einem medialen Schwerpunkt werden eine Fernsehserie und Musikvideos analysiert. Im Sinn einer globalen Geschichte wird dann ein Blick auf indisches Handwerk geworfen, der Zeitschrift Burda-Moden in der Türkei und dem «beschürzten» Mann in der DDR nachgegangen. Den Abschluss bildet die Diskussion zur Frage, welchen Stellenwert Mode und Gender in der Lehre hatten und haben.

Oft wurde Mode selbst als weiblich beschrieben und damit als oberflächlich und wankelmütig identifiziert. Die Tagung möchte verbreitete Interpretationen gegen den Strich lesen und daraus politischen, intellektuellen und sinnlichen Gewinn ziehen. Dabei sollen diverse Positionen sichtbar und eine Plattform für transdisziplinären Austausch geschaffen werden.

Programm

Donnerstag, 26. Mai 2022

13.00              
Begrüssung durch Anna-Brigitte Schlittler und Katharina Tietze, ZHdK

Grusswort Elisabeth Hackspiel-Mikosch, Vorsitzende netzwerk mode textil

Queering Gender
Moderation: Anna-Brigitte Schlittler

13.20 
Melanie Haller:
Mode und Gender – Fragezeichen. Über die Konjunktur von Konzepten und deren Relevanz aus feministischer Perspektive

13.40              
Nils Lange, Jörg Wiesel:
per/trans_forming fashion – Unlearning Gender

14.00 – 14.20            
Diskussion        

Pause

14.50              
Verena Potthoff:
Mode als emanzipatorische Praxis? Queerness im Anschluss an Jacques Rancière

15.10              
Sarah Held:
Glitter | Glamour | Gender – Modische Performanz von Geschlecht 

15.30 – 15.50            
Diskussion

Pause

Diverse Zugänge                                                                 Moderation: Katharina Tietze

16.20              
Adelheid Rasche:
Frau oder Mann? Genderspezifische Methoden der frühneuzeitlichen Kleidungsforschung

16.40              
Elisabeth Hackspiel-Mikosch:
Cholitas – vestimentäre Selbstermächtigung indigener Frauen in Bolivien

17.00              
Dorothea Nicolai:
Hosenrolle. Über das Geschlecht auf der Bühne am Beispiel von Octavian im Rosenkavalier von Richard Strauss

17.20 – 17.50            
Diskussion

Freitag, 27. Mai 2022

Um 1900
Moderation: Elisabeth Hackspiel-Mikosch

09.00              
Anna-Brigitte Schlittler:
Zu Pferd

09.20              
Aliena Guggenberger:
Zwischen Künstlerkleid und Eigenkleid – Geschlechtsspezifische Gestaltungsweisen in der deutschen Reformkleid-Bewegung

09.40              
Birgit Haase:
„Der Ver‚herr‘lichung entgegen“ – Vom weiblichen Promenaden-Anzug zum Tailleur
Der Beitrag wird präsentiert von Maria Spitz.

10.00 – 10.30            
Diskussion

Pause

Aus der Perspektive von Gestalter:innen                                                           Moderation : Katharina Tietze

11.00              
Wiebke Schwarzhans:
Le Modèle Optique. Oberflächen, Gloss und Femininitäten

11.20              
Jonas Konrad:
das neue blau

11.40              
Laura Haensler, Larissa Holaschke:
Sleeping Beauty: wie das Schlafgewand Gender konstituiert

12.00 – 12.30            
Diskussion
                                       Mittagspause

Mediale Formate
Moderation: Melanie Haller

13.30              
Evelyn Echle:
Streaming Gender

13.50              

Mariama de Brito Henn:
Weiblich. Schwarz. Queer

14.10 – 14.30            
Diskussion

Pause

Kulturelle Übersetzungen                                                         
Moderation: Jörg Wiesel

14.50              
Laya Chirravuru:
Ungendering Crafts. Challenging Gendered Cultures of Making in Indian Sustainable Fashion (engl.)

15.10              
Elif Süsler-Rohringer:
Burda Kadın (Woman) and translation of femininities in 1980s’ Turkey (engl.)

15.30              
Katja Böhlau:
Der beschürzte Mann und die Männlichkeit in der Modefotografie der DDR

15.50 -16.20              
Diskussion                

Pause             

Eine Frage der Lehre
Moderation: Adelheid Rasche

16.50              
Lüder Tietz:
Queer + Mode – Vermittlung = ?

17.10              
Katharina Tietze:
Frauenberufe? Die Textilklasse an der Kunstgewerbeschule Zürich von 1906 bis 1938

17.30 – 17.50             
Diskussion und Abschluss

Abstracts

Queering Gender

Melanie Haller:
Mode und Gender – Fragezeichen. Über die Konjunktur von Konzepten und deren Relevanz aus feministischer Perspektive

Genderless fashion, Gender Neutral, Gender Bending, Queer Fashion, Unisex – im Modesystem kursieren aktuell wieder einmal neue Begriffe, welche im täglichen Zirkus der Aufmerksamkeitsökonomien mit dem Impetus einer ethischen und grundlegenden Aus- und Neusortierung aller Kleiderschränke dieser Welt die Konsumlust anstacheln sollen. Mit diesen neuen Wortschöpfungen tauchen Konzepte im Modesystem auf, welche neben neuen Kleidermoden auch scheinbar mehr versprechen: Moden als gesellschaftliche Innovationskraft – (auch) für Fragen um Genderidentitäten? 

Im Forschungsstand der internationalen Fashion Studies steht ein derart allgemein formuliertes Verhältnis von Mode und Gender allerdings bereits seit Ende der 1990er Jahre im Zentrum vieler differenzierter Forschungen. Der Vortrag möchte ausgehend vom internationalen Forschungsstand hinterfragen, in welcher Weise eine verallgemeinernde Frage von Mode und Gender heute noch gestellt werden kann. Ergänzend wird hierzu die Wissen(schafts)geschichte(n) der Frauenforschung, Geschlechterforschung bis hin zu den Gender Studies und der Weiterentwicklung in den Queer Studies herangezogen, um den theoretischen Ausgangspunkt und thematischen Rahmen zu erweitern und auszudifferenzieren. 

Als Beispiele sollen Kleidung, Anti-Moden und Moden exemplarischer und bekannter Feministinnen von der ersten bis zur dritten Welle der Frauenbewegung in den Blick genommen und kritisch analysiert werden. Wie zeigt sich am Beispiel des Feminismus ein Verhältnis von Mode und Gender und welche Kriterien müssen aus modesoziologischer Perspektive unabdingbar ergänzt werden? Der Vortrag möchte aus feministischer Perspektive aufzeigen, wie Mode und Gender zwangsläufig und immer in einer intersektionalen Verbindung in den Blick genommen werden müssen. 

Nils Lange, Jörg Wiesel:
per/trans_forming fashion – Unlearning Gender

Unser Beitrag entwirft in der Kritik an der etablierten Gender-Theorie (u.a. Judith Butler) eine Perspektive auf queere Praxen des Nicht-Lernens und Nicht-Lehrens im Kontext von Mode-Design. Queer bringt Durcheinander, nicht nur die Performance zwischen den binären Polen, bringt Störung/Spiel/Irritation/Orientierung/Prozess und geht nicht in der Logik des vermeintlich ‚Dritten‘ auf. Wie unterrichten und lernen wir, wenn wir die Positionen der 1990er Jahre überschreiten? Trans bringt Umwandlung, drängt das Binäre an die äußersten Ränder des Spektrums, macht das ‚Normale‘ nur noch zum exemplarischen Extrem; das, was mehrheitlich stattfindet, liegt in den Facetten der Vielheit dazwischen. Wir formulieren eine Kritik am Zentrieren des Binären durch Negation („non-binär“) und suchen im Modell PER/TRANS_forming Fashion etwas Anderes, das sich zeigt, ohne explizit gemacht werden zu müssen, sich nicht erklärt, nicht mehr aufgezeigt werden muss. TRANS ist strukturell in der Art und Weise, zu denken und zu gestalten, enthalten und performt sich in diesem Sinne immer mit – und damit die Mode.

Verena Potthoff:
Mode als emanzipatorische Praxis? Queerness im Anschluss an Jacques Rancière

Die identitätsstiftende Funktion von Mode aufgrund ihrer symbolischen Wirkmächtigkeit vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen. Als nonverbales, visuelles Kommunikationsmedium vermögen vestimentäre Objekte, gesellschaftlich ausgehandelte Bedeutung sichtbar zu machen. Gleichzeitig befähigt modisches Handeln, Bedeutung allererst zu generieren und vermag auf diese Weise, auch in die ästhetische und soziale Wirklichkeit einzugreifen. 

Hier zeigt sich eine Parallele zu den Überlegungen Jacques Rancières, der diesen Aspekt mit Blick auf die Kunst untersucht. Grundlage hierfür ist sein zentrales Konzept der «Aufteilung des Sinnlichen», das – als ein spezielles System der Wahrnehmung und Identifizierung – sowohl der Politik als auch der Kunst zugrunde liegt. Gleiches gilt für die Mode: auch sie fungiert als ein Prinzip der Wahrnehmung und Identifikation, welches soziale Zugehörigkeiten und Strukturen aufzeigt, gleichzeitig aber auch das Spiel mit eben diesen Grenzen ermöglicht.

Anhand Rancières politischer Ästhetik lassen sich die zentralen Aspekte und Strategien solch disruptiven und subversiven Handelns schärfen und konkretisieren. Gleichzeitig ergeben sich wichtige Anschlussfragen, die in dem Beitrag näher beleuchtet werden sollen: Emanzipation versteht Rancière grundsätzlich im Sinne einer Selbstermächtigung, statt einer institutionell erteilten Gleichheit. Welche Bedeutung kommt unter diesem Aspekt gesetzlichen Reglementierungen zu? Brüche, Störungen und Veruneindeutigungen gelten ihm als wesentliche Interventionen. Diesen Dissens gilt es aufrecht zu erhalten, um statt einer blossen Neuinterpretation, generelle Bedeutungsoffenheit und multiple Lesbarkeiten zu erzeugen. Dies könnte eine Antwort sein im Hinblick auf Butlers oder Stokoes Bedenken, dass Crossdressing, das Zitieren der jeweiligen Geschlechterstereotypen eher in eine Zirkularität oder einen Backlash münde. Die Modeindustrie spielt hierbei eine höchst ambivalente Rolle. Am Ende steht möglicherweise das Ausbilden neuer zitierfähiger Praxen. Zuletzt sollen das künstlerische wie das Alltagsumfeld einander gegenübergestellt und auf ihr Wirkpotential hin untersucht werden. 

Sarah Held:
Glitter | Glamour | Gender – Modische Performanz von Geschlecht

Sind Mode und Gender Kategorien, die sich unter Berücksichtigung von Körperkonstituierungen und damit verbundenen gesellschaftlichen Normierungsmechanismen per se ausschliessen? Gerade in den interdisziplinären Fashion Studies wird das scheinbar dichotome Verhältnis untersucht: Modesysteme werden unter körperpolitischen Aspekten nicht nur kritisiert, sondern auch neu verhandelt und entworfen. Die entstandene Nische bietet Raum für Widerstandspraxis und Auflehnung gegen tradierte Lesarten von stereotypisierten Schönheitsidealen und das Dominanzsystem Mode. Mode erlaubt ludische Geschlechterperformanzen und ein Aufbegehren innerhalb intersektional betroffener Gruppen, wie beispielsweise bei der New Yorker Ballroom Culture.

Mode hinterlässt Spuren in der visuellen Kultur und im Diskurs um idealisierte Schönheitsentwürfe. Der Vortrag betreibt eine semiotische Fährtensuche im zeitgenössischen Popkulturdiskursuniversum sowie in dessen historischen Kontext. Dabei steht das kritische Lesen und Hinterfragen der Narration von Schönheitsidealen, Geschlecht, Körper und Diskriminierung durch Modepraxen und -diktate im Vordergrund; gleichzeitig wird der emanzipatorische Charakter von alternativen Modederivaten erörtert. Wie können binäre und stereotype Geschlechtsentwürfe und zementierte Genderperformanzen durchque(e)rt werden? Mit welchen kulturtheoretischen Modellen und Konzepten argumentieren die Fashion Studies unter der Berücksichtigung von Geschlecht und Gender?
Besonders stehen die Körperpolitiken und durch Mode produzierte Körperbilder und Diskurse um damit verbundene Normativitätsbildung im Vordergrund. Gerade wenn sich mit Bildsprachen und Wirkungsweisen von Mode in Rückbezug auf Geschlecht auseinandergesetzt wird, ist es unerlässlich gesellschaftliche Machtstrukturen und -mechanismen aufzuzeigen und zu analysieren.

Diverse Zugänge

Adelheid Rasche:
Frau oder Mann? Genderspezifische Methoden der frühneuzeitlichen Kleidungsforschung

Während beim Betrachten eines frühneuzeitlichen Porträts in der Regel kein Zweifel der geschlechtlichen Zuordnung besteht, sind einzelne Sachzeugnisse historischer Kleidung nicht selbstverständlich auf ein Geschlecht zuzuordnen. Wurde ein einzelnes Oberteil, zu dem Rock oder Hose fehlen, von einem Mann oder einer Frau getragen? Gehören Ärmel zu einem Frauen- oder Männerwams? Wie sieht es mit einzelnen Spitzenkragen, mit Hüten oder Handschuhen etc. aus?

Ausgehend von einer präzisen Leseart der erhaltenen Artefakte vermittelt der Vortrag anhand konkreter Sammlungsobjekte des Germanischen Nationalmuseums Methoden und Vorgangsweisen, die für alle von Interesse sind, die sich mit historischer Kleidung beschäftigen. So wird der heutige, oft theoriegetriebene Cross-Gender-Diskurs um eine dezidiert objektbezogene Dimension erweitert.

Elisabeth Hackspiel-Mikosch:
Cholitas – vestimentäre Selbstermächtigung indigener Frauen in Bolivien

Seit der Regierung von Evo Morales entstand in Bolivien eine Bewegung indigener Frauen, Cholitas genannt, die für ihre Rechte und Anerkennung in der Gesellschaft kämpfen. Cholitas erobern Gleichberechtigung im Beruf, in Politik und eine neue gesellschaftliche Achtung. Ein wichtiges Zeichen der neuen Selbstermächtigung ist ihre Kleidung. Dieser Beitrag wird die Kleidung der Cholitas untersuchen, ihre koloniale Herkunft und den Wandel ihrer Bedeutung als Zeichen eines neuen postkolonialen und emanzipatorischen Selbstverständnisses indigener Frauen in Bolivien.

Dorothea Nicolai:
Hosenrolle. Über das Geschlecht auf der Bühne am Beispiel von Octavian im Rosenkavalier von Richard Strauss.

Im Theater und bei der Oper besteht eine lange Tradition für Hosenrollen bei Frauen und Travestie-Rollen bei Männern auf der Bühne. Es verursacht eine vereinbarte Verwirrung mit dem Publikum, jeder weiss es und wird trotzdem von der Illusion fortgetragen, mit einem erlaubten und sublimierten erotischem Prickeln. Demgegenüber heisst es in der Kostümabteilung ganz pragmatisch: nur das Geschlecht auf der Bühne zählt. Und so werden alle Sängerinnen in Hosenrollen in der Herrenschneiderei versorgt, und die Männer in Travestie landen in der Damenschneiderei. Dieser Vortrag möchte die Tradition der Hosenrolle mit der Rolle des Octavian im Rosenkavalier von Richard Strauss in den verschiedenen Inszenierungen bei den Salzburger Festspielen nachzeichnen, vom Beginn der 1920er Jahre bis heute.

Um 1900

Das Reiten im Damensattel – die Wurzeln dürften bis in die Frühe Neuzeit reichen – erfreute sich im 19. Jahrhundert grosser Beliebtheit (nicht nur) im englischen Bürgertum. Um die unbequeme, potenziell gefährliche und wenig tierfreundliche Praxis entstand eine reiche materielle Kultur und eine Fülle von Schriften, Handbüchern und Bildern.

Der Beitrag nimmt das Reitkostüm als «paradoxes», d.h. als modisches Anti-Mode-Statement, als zugleich männlich und weiblich konnotiertes, funktionales und verführerisches vestimentäres Objekt mit den anhaftenden Diskursen in den Blick. Darüber hinaus soll dem Echo des viktorianischen «side saddle riding» im Varieté des frühen 20. Jahrhunderts und in den zeitgenössischen (post-)kolonialen Ausläufern in der Tradition der «Escaramuzas Charras» nachgegangen werden.

Aliena Guggenberger:
Zwischen Künstlerkleid und Eigenkleid – Geschlechtsspezifische Gestaltungsweisen in der deutschen Reformkleid-Bewegung

Die Trennung von Theorie und Praxis bei der Herstellung eines Kleides definiert sich bei vielen grossen Modehäusern bis heute in eine vermeintlich genuin männliche Sphäre – den Entwurf – und eine vermeintlich genuin weibliche Sphäre – die Ausführung. Die Problematik einer solchen Unterbesetzung entwerfender Frauen in der Modebranche tritt erstmals in der deutschen Reformkleid-Bewegung um 1900 offen zutage, die für die Befreiung aus dem (gesellschaftlichen) Korsett kämpfte. Im Kontext Gender erweist sie sich als aufschlussreicher Untersuchungsgegenstand, da sich hier zeitgleich männliche und weibliche Künstler:innen mit demselben Objekt befassten und unterschiedliche Vorgehensweisen repräsentieren. Das Einmischen männlicher Jugendstil-Künstler wie Henry van de Velde und Alfred Mohrbutter wirkte sich negativ auf das Vertrauen der Frauen in die praktische Umsetzbarkeit der Reformkleid-Idee im Alltag aus. Die Künstler-Entwürfe setzten auf dekorative Ornamentik statt auf gesundheitliche und emanzipatorische Aspekte. Ab 1905 wird mehr und mehr die Dringlichkeit nach einem kreativen Eingreifen der Frau formuliert, wobei der sich neu herausbildende Berufstypus der kunstgewerblichen Schneiderin die ideale Lösung schien. Als Mittlerin zwischen Künstler und Rezipientin nahm sie eine Schlüsselrolle innerhalb der Bestrebungen ein und konnte der wichtigsten Voraussetzung – dem Erleben des weiblichen Körpers – auf authentische Art gerecht werden. Der Vortrag stellt die Entwürfe der männlichen Künstler denen der Reformschneiderinnen gegenüber und skizziert, wie beide Gruppen den Herausforderungen einer Befreiung aus dem vorherrschenden Modediktat begegneten.

Birgit Haase:
„Der Ver‚herr‘lichung entgegen“ – Vom weiblichen Promenaden-Anzug zum Tailleur
Der Beitrag wird präsentiert von Maria Spitz.

Das im Titel verwendete Zitat aus einem 1928 erstmals erschienenen Ratgeber für „Die perfekte Dame“ rühmt die „zwiespältige Natur“ der Zeitgenossinnen, die es gekonnt verständen, feminine und maskuline Elemente in ihrer äusseren Erscheinung miteinander zu kombinieren. Dass vor allem in der weiblichen Tageskleidung der 1920er Jahre eine Tendenz zum Verwischen herkömmlicher Geschlechtergrenzen durch die Integration traditionell männlich konnotierter Garderobeelemente wahrnehmbar war, gilt heute als modehistorischer Gemeinplatz. Vielfach wird dies als ein sinnbildlicher Ausdruck für die veränderte Stellung der sogenannten ‚Neue Frau‘ nach dem Ersten Weltkrieg interpretiert.

Das genannte Phänomen ging auf Entwicklungen in der Damenmode zurück, die schon Jahrzehnte zuvor begonnen hatten. Im langen 19. Jahrhundert hatte das patriarchale Gesellschaftssystem eine Segregation der Geschlechter gefördert, die im äusseren Erscheinungsbild ihren sichtbaren Ausdruck fand. Angesichts einer betont feminisierten Kleidermode, galt die zwischengeschlechtliche Übernahme ‚männlicher Garderobeelemente‘ spätestens seit der Jahrhundertmitte nicht nur als gewagt und erotisch pikant, sondern wurde teilweise auch als emanzipatorisches Moment gewertet. Neben herkömmlich als maskulin eingeschätzter Accessoires und Garnituren, ist für das hier vorgestellte Thema die Herausbildung des später mit treffenden Begriffen wie Schneiderkostüm, Tailleur, oder Tailor Made bezeichneten Frauenkostüms von Interesse. Zunächst oft Amazonen-Habit oder Promenadenanzug genannt, machte es in Schnitt, Fertigungstechnik, Material, Farbigkeit und Ausstattung Anleihen am modernen Herrenanzug. Das neue Element der Damengarderobe ist in engem Zusammenhang mit der weiblichen Eroberung öffentlicher Räume zu sehen – war Vorbedingung und Ausdruck gleichermassen für diesen bedeutsamen Schritt auf dem Weg zur Emanzipation.

Der Beitrag wird auf der Basis von Bild-, Sach- und Textquellen die historische Entwicklung des ‚Tailleurs‘ insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konturieren und nach damit verknüpften Bedeutungsebenen fragen.

Aus der Perspektive von Gestalter:innen

Wiebke Schwarzhans: 
Le Modèle Optique
Oberflächen, Gloss und Femininitäten

Mein künstlerisches Promotionsprojekt erforscht die filmische Konstruktion von Modekörpern und geschlechtlich codierten Identitäten in Auseinandersetzung mit Oberflächen, Spiegelungen und optischen Illusionen. Der Film verschränkt dabei einen physikalischen Versuchsaufbau – in Anlehnung an den Psychoanalytiker Jacques Lacan – mit ästhetischen Bildpolitiken aktueller Modekampagnen in einer performativen Re-Inszenierung. Auch die Drehsituation selbst wird reflektiert, sodass sich die verschiedenen Ebenen der Inszenierung zu überlagern beginnen. Im Rahmen meines Beitrags werde ich Le Modèle Optique zeigen und die konzeptuellen Hintergründe skizzieren.

Synopsis: Am Set eines fiktiven Fashion-Fotoshootings. Drei Körper in schwarzen Blousons agieren mit Nelken, einer Vase und verschiedenen Spiegeln. Sie scheinen einer Choreografie zu folgen, die um Variationen eines physikalischen Experimentes kreist. Eine optische Illusion entsteht. Film und Making-Of verschwimmen. Zwei weiblich gelesene Stimmen kommentieren allwissend mit kryptischen Botschaften das Geschehen. LE MODÈLE OPTIQUE ist ein Film, der in subtilen Gesten über Femininitäten und den Gloss von Bildern nachdenkt.

Jonas Konrad:
das neue blau

Ist es an der Zeit, dass ‚Mann‘ sich von der bisher vorherrschenden Definition von Männlichkeit löst, sie erweitert und diversifiziert und damit das Blau neu definiert? 

Die Kollektion das neue blau setzt sich mit normativen Männlichkeitsvorstellungen auseinander, mit deren Regelwerken, Idealen, Stereotypen und vestimentären Kodierungen. Damit befragt die Arbeit und dieser Beitrag explizit das binäre System der visuellen Genderzuordnungen: Wie sehen Männlichkeiten heute aus? Wann werden ihre Zuschreibungen ‚toxisch‘? Und wo ist die Abgrenzung zu weiblichen Kodierungen?

das neue blau befreit sich vom derzeitigen Verständnis des ‚klassisch Blauen‘ als Metapher für Männlichkeit und entwickelt davon ausgehend ein facettenreiches Spektrum, ohne sich in Gänze vom ‚Blau‘ zu lösen. Es entsteht eine Eigenständigkeit in der Vielfalt des Blauen, die jedoch nicht als Gegensatz zu oder als Ausschluss anderer Farben zu verstehen ist.

Dafür wurde in einer theoretischen Auseinandersetzung zunächst die Frage nach Einflüssen und Wirkung auf das normative Bild von Männlichkeiten gestellt: Sollte der Mann auch nur ein Produkt seiner Umgebung mit den auf ihn projizierten Erwartungen sein? Sind es eher von aussen angelegte Parameter, die Einfluss nehmen auf das, was dann als „männlich“ gilt? Das Resultat dieser Untersuchung wurde in einem zweiten Schritt in den Bereich der Mode transferiert, indem nach aktuell vorherrschenden, sichtbaren Kodierungen geforscht wurde, die eine genderfokussierte Positionierung provozieren. In einer breit aufgestellten, visuellen Recherche entstand eine detaillierte Übersicht, die aufzeigt, was allgemeinhin unter „Männlichem“ wie auch „Weiblichem“ klassifiziert wird. Dies bildete die Grundlage für das Einleiten des Designprozesses, für die Dekomposition ebendieser Kodes, für ‚Entnetzung‘ und ‚Degendering‘ vestimentärer Signifikanten, um dann im nächsten Schritt spielerisch eine Re-Komposition zu erproben.

das neue blau sucht nach einer Möglichkeit, wie ein vielfältigeres Bild koexistierender Männlichkeiten gedacht und ein Bereich ausserhalb der binären Unterscheidung von Männlichkeit und Weiblichkeit geschaffen werden kann: Ein Ausserhalb, in dem Blau nicht mehr nur blau ist, sondern auch grün, schwarz, gelb, rosa, lila, orange, grau, pink, weiss, rot …

Laura Haensler, Larissa Holaschke:
Sleeping Beauty: wie das Schlafgewand Gender konstituiert

Erstmals taucht das Nachtgewand in der italienischen Oberschicht der frühen Neuzeit auf, wo es als knöchellanges und schlichtes Leinenkleid von allen Geschlechtern gleichermassen getragen wurde. Erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts gewinnt der Parameter Geschlecht an Bedeutung in der Gestaltung und Funktion des Nachthemdes. Das Gewand der Frau wird enger, verzierter und raffinierter, das Nachthemd des Mannes wird kürzer, praktischer und eleganter: Negligé und Pyjama halten Einzug in die westlichen Schlafzimmer des 20. Jahrhunderts, deren Popularität nicht zuletzt der wachsenden Präsenz in Filmen und TV-Serien zu verdanken ist. Das Nachthemd ist heute ausserdem eines der wenigen akzeptierten Formen des Kleides für den Mann. 

Selbstfürsorge, Hygge, Borecore, domestic cozy: Heute geht es bei der Nachtkleidung um weitaus mehr, als der Schutz vor Kälte und Läusen. Mit JOMO (Joy of missing out) zelebriert die Generation Z die Renaissance der Häuslichkeit und verbringt mehr Zeit zu Hause denn je – das Schlafzimmer ist zum kulturellen Epizentrum einer ganzen Generation geworden und mit der sogenannten Sloungeware wird es zunehmend auch nach (dr)aussen getragen.

Mit dem Redesign des Schlafanzugs verschwimmen auch (wieder) die Grenzen geschlechtsspezifischer Kleidung: Asos wirbt mit “inklusiver” Loungewear und das Luxuslabel MCM lanciert eine “gender-neutrale” Sleepwear Kollektion mit androgynen Mustern und Passformen. “Genderfluide” Sloungewear als Nachthemd des 21. Jahrhunderts? 

Welche Kodierungen, Bilder und Werte lassen sich am Nachtgewand ablesen? Inwiefern agiert der Schlafanzug weg- und zukunftsweisend für die Gestaltung von Geschlechterrollen und Gendercodes? Und welche Rückschlüsse lässt das Pyjama auf Milieu, Alter und Kultur zu? Der Beitrag untersucht die Nachtkleidung auf ihre kulturelle und soziale Bedeutung und widmet sich den Ambiguitäten des gestern, heute und morgen. Dabei wird das Schlafgewand aus historischer, aber auch zukunftsweisender Perspektive betrachtet und diskutiert. 

Mediale Formate

Evelyn Echle:
Streaming Gender

Der performative Charakter von Kleidung zeigt sich innerhalb der Film- und Seriengeschichte als Zeichen der Sinn- und Erzählökonomie. Kleidung, Accessoires, Make-Up bis hin zu Requisiten schaffen wirkmächtige Ikonografien, die in ihrem methodischen und kulturpolitischen Mapping von Gender vielfach gesellschaftliche Debatten über den Umgang mit (nicht-)normativen Geschlechterrollen und Sexualitäten aufgreifen. In der Analyse vom Umgang mit Mode, Kostüm und Narration kann demnach eine kritische Reflexion von kulturell konstruierten Geschlechtsidentitäten erfolgen. Während die Attribuierung von Gender quer durch die Filmgeschichte mitunter äusserst plakativ über das Filmkostüm erfolgte, zeigen sich mittlerweile diversere Zugänge. Nicht zuletzt sorgt die grundlegende Umwälzung der Medienlandschaft durch Streaming-Dienste für Produktionen, die Diskurse um queere Praxen experimenteller aushandeln. Die britische Netflix-Serie Sex Education (UK; 2019–dato) soll für die Darstellung von Diversität in dem Vortrag als Beispiel dienen; das Kostümdesign von Rosa Dias schafft über Stil, Material und Farbe für die Seriencharaktere eine nuancierte Attribuierung der Rollen. Der Vortrag fragt, welche Zuschreibungen die Figuren über die Stoffe und Muster in Bezug auf Gender im Verlauf der Staffeln erfahren und welches Eigenleben die Kostüme über das fiktionale Universum hinaus und in die Modeindustrie hinein entfalten. So lässt sich der modische Impact der Serie unter anderem an der Kollaboration mit H&M in der Vermarktung einer eigenen Sex Education-Kollektion ablesen.

Mariama de Brito Henn:
Weiblich. Schwarz. Queer

Als Anfang des Jahres der amerikanische Künstler Lil Nas X das Video zu seiner Single „Montero“ herausbrachte gab es, wie zu erwarten war, von der konservativen Presse einen Aufschrei. In dem Video präsentierte sich der Künstler unter anderem als schwuler Engel, der seinen Sturz in die Hölle an der Poledance-Stange vollbringt. Mit roten Braids, angelegten Babyhärchen, schwarzen Lack-Stiefeln, engen Boxershorts und tätowiertem Oberkörper präsentierte sich der schwarze Künstler so schamlos queer und bedingungslos schwarz. In den darauffolgenden Videos „Industry Baby“ und „That’s what i want” nutzt der Künstler vor allem Mode, um seiner schwarzen Queerness Ausdruck zu verleihen. Seien es nun Jheri Curls oder Pinke Tracksuits. Die Popularität seiner Videos gibt jungen queeren schwarzen Jungs ein Vorbild für eine Queerness, die in der schwarzen Kultur verankert ist.

Folgt man dem Diskurs um Lil Nas X könnte man annehmen, dass es vor ihm keine so offen queeren Künstler:innen gegeben hätte. Künstlerinnen wie Young M.A., die sich als offen lesbische Frau in der US-Rap Szene einen Namen gemacht hat, scheuten nie zurück weder in ihrer Mode noch in ihren Videos ihre Queerness zu verstecken. Das sie nicht dieselbe Aufmerksamkeit erreichte wie Lil Nas X liegt natürlich an mehreren Faktoren, aber unter anderem daran, dass sich der queere Diskurs oftmals auf weisse männliche Queerness fokussiert. Weibliche Queerness und dann noch PoC oder schwarze Queerness fällt, ausser vielleicht in literarischen Zirkeln, meist weg. Doch gerade in den Musikvideos bieten diese Künstlerinnen eine Leinwand ihre Queerness mit ihrer Blackness auszuhandeln. Da Musikvideos ein sehr visuelles Medium sind, geschieht dies vornehmlich durch die Mode, die sie tragen.

Im Folgenden will ich anhand von Musikvideos verschiedener Künstlerinnen aus der afrikanischen Diaspora die Frage nach einer weiblichen, queeren und schwarzen Ästhetik ergründen. Musikvideos sind hierfür ein hervorragendes Medium, da sie zum einen für ein grosses globales Publikum konzipiert und zugänglich gemacht wurden, aber auch das Medium selber auf eine eigene visuelle Geschichte von Queerness und Repräsentation zurückgreifen kann, die immer wieder zitiert wird. Deswegen ist nicht nur die Bildsprache in Musikvideos interessant, sondern auch die Mode.

Schwarze Queerness kann hart und explizit sein wie Dua Salehs „Sugar Mama“ oder aber soft und intim wie Amaarae „Like It“. Mode bietet hier schwarzen Frauen eine Leinwand Gender, Sexualität und Blackness mit sich selbst und den Menschen um sie herum auszuhandeln.

Kulturelle Übersetzungen 

Laya Chirravuru:
Ungendering Crafts. Challenging Gendered Cultures of Making in Indian Sustainable Fashion

One of the key mediums of achieving sustainability in the socio-economic context of Indian fashion is through the country’s rich diversity of crafts. In this regard, there has been a steady rise of social enterprises that aim to generate employment for the vast communities of artisans. However, traditionally, most craft activities in India have remained thoroughly male-dominant. Historically, Indian crafts were categorized under two purposes – commercial and personal use. Commercial crafts involved a male craftworker as the central performer, while his wife was his assistant and his children his apprentices. Personal crafts were done by women to embellish their garments or to gift their children during wedding ceremonies. But in today’s capitalist economy, nearly every craft is commoditized to serve one primary purpose – fashionable lifestyles. Regardless, due to the enduring cultural conventions, currently a smaller number of women are observed to play the central role of an ‘artisan’ in most patriarchal craft communities. Instead, women are perceived to participate passively in ‘background’ activities as they are engaged in other household chores that leave little time for practicing the craft as a means of livelihood. Research emphasizes that flexibility of working conditions is one of the fundamental motivators for women artisans to pursue craft-making. This existing gender imbalance in the Indian craft industry is now being addressed by rural women forming Self Help Groups (SHGs), and also by craft enterprises and NGOs working specifically to revitalize communities of women artisans. These organizations chiefly focus on decentralized operations that allow women to work from the convenience of their homes.

Conversely, crafts that have traditionally had women performers have mostly been classified as leisure-time activities, and have therefore failed to recognize women as craftworkers contributing to the economy. In turn, the very domestic origin of certain female-associated crafts has served to construct the gendered roles and value systems in craft production. This fact urges that empowerment projects must not only have a sensitized understanding of geographic and demographic conditions regarding mobility and access, but also account for the cultural intricacies that fundamentally shape the gendered practices of craft-making. This research goes beyond the aspects of social and financial agency to investigate how current narratives around gender performance in crafts are mediated in relation to a perceived authenticity and heritage. At the intersection of gender performance, craft production, and sustainable fashion, this study explores the scope of employing processes that encourage non-gendered craft-making, to strengthen the participation of women in artisanal communities.

Elif Süsler-Rohringer:
Burda Kadın (Woman) and translation of femininities in 1980s’ Turkey

This contribution investigates the impact of globally circulating printed media not only in the distribution of fashion models, but also in providing a space for Turkish women to negotiate gender roles. It takes the Turkish edition of Burda Moden, a Germany based fashion and style magazine, as the case study to argue that the lack of translation opened up a space for women to articulate visions of gender equality and sexuality. At the same time, fashion as a highly gendered practice was curiously absent from these reflections. This is particularly striking as Burda provided patterns for all the clothes presented in each edition for the readers (mainly but not only home dressmakers) to reproduce these fashion items. Paper patterns as social “agents” facilitated the understanding of design for non-specialists and enabled cultural exchange by sharing the steps of dressmaking. 

Burda Moden was first published in Turkey in the 1960s as the original German magazine, in the 1980s the original German magazine was accompanied by a booklet in Turkish before the full magazine was translated into Turkish in the 1990s. The booklet was called Burda Kadın (Burda Woman), it did not contain translations of the German text, but replaced it with different articles on women, celebrities or family. Several issues, however, included interviews highlighting the independence of women free of marriage and gender equality. Yet, they coexisted with an oversexualized and gendered imagery of women in both German and Turkish editions. There are at least two layers in Burda, the sexualization through body postures and mise-en-scènes in the advertisements, and the fashion items to be reproduced. Power suit cuts, which were supposed to give women more businessman-like appearance, coexisted with revealing and flowy cuts, but these were never addressed as different visions of how women should dress.

This paper moreover contextualizes the gendered bodies and their cultural translational gaps in the political and social changes in the Turkey of the 1980s. Two consecutive military coups d’état in 1971 and in 1980, the rise of political Islam resulted in a volatile environment where free speech and visual representations were shaped by conservative politics. Hence, this paper investigates the perception of femininities through design in everyday contexts.

Katja Böhlau:
Der beschürzte Mann und die Männlichkeit in der Modefotografie der DDR

Schon 1949 wurde in der Verfassung der DDR die Gleichstellung von Mann und Frau festgehalten. „Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen“, so heisst es in Artikel 7, „sind aufgehoben“. Dass sich dies in der sozialen Praxis nicht in allen Bereichen verwirklichte wurde schon vielfach angemerkt und in diesem Zusammenhang die Mehrfachbelastung der Frau durch Beruf sowie Familie und Hausarbeit betont. Auch in Frauen- und Modezeitschriften der DDR wurde diese Diskrepanz thematisiert und diskutiert. Der darin entfaltete Diskurs zeigt sich als Aushandlungsprozess zwischen alten und neuen Rollenbildern, zwischen der Emanzipation der Frau und dem Versuch entsprechende neue Männlichkeitsbilder zu etablieren. Auch in der Modefotografie reflektiert sich dies. Die Inszenierungen sind dabei nicht einfach Spiegel von Diskursen, sondern konstituieren diese in ihrer eigenen Weise mit. 

Mein Beitrag fokussiert das Verhältnis von Männlichkeit und Hausarbeit und untersucht dieses am Beispiel modefotografischer Inszenierungen von Schürzen für Männer. Seit der Konstitution der bürgerlichen Gesellschaft war die Schürze gleichsam zum „Symbol der Frau“ geworden. Die Frau in Kittelschürze, die sich (hauptberuflich) um den Haushalt kümmert, passte jedoch nicht zum propagierten Bild gleichgestellter, sozialistischer Menschen. Inwiefern wurde also die Auseinandersetzung mit überkommenen Geschlechterrollen in den Modebildern zum Thema? Oder lief der Mann in Schürze doch Gefahr als „Pantoffelheld“ zu gelten?  

Vor allem in den 1960er Jahren und zu Beginn der 1970er Jahre erschienen in ostdeutschen Frauen- und Modezeitschriften Strecken über Schürzen und Kittel, die auch Modelle für Männer vorstellen. Die Präsentation im Kontext der Zeitschrift zeigt sich dabei als vielschichtiges mediale Gefüge, in dem nicht nur Bild- und Textebene, sondern auch die vorgestellte Kleidung selbst, zusammenwirken und Geschlechtsidentitäten in spezifischer Weise performt werden. Die modefotografischen Inszenierungen beschürzter Männer, so wird deutlich, wurden dabei auch zu Vermittlern zwischen den noch ambivalent erscheinenden Polen Männlichkeit und Hausarbeit. 

Eine Frage der Lehre

Lüder Tietz:
Queer + Mode – Vermittlung = ?

Queer als politisches Projekt und Mode als Teil der Konsumkultur stehen in einem paradoxen Verhältnis, wie bereits verschiedene Autor*innen (u. a. Lehnert et al., Geczy / Karaminas, Steele) betont haben. Was passiert, wenn beide Aspekte im Kontext der Hochschullehre zusammengebracht werden?

Dies soll ausgehend von Erfahrungen aus etlichen Lehrveranstaltungen für BA-, MA- und MEd.-Studierende der Materiellen Kultur, Kunst, Gender Studies und Kulturanalysen in unterschiedlichen Formaten (von Aufgaben zur Dress-Analyse für Studienanfänger*innen bis hin zu einjährigen Lehr-Lern-Forschungsprojekten für Master-Studierende) an mehreren Universitäten im Laufe von 20 Jahren reflektiert werden. Im Rahmen dieser Veranstaltungen haben Studierende u. a. teilnehmende Beobachtung eingeübt, visuelle Analysen in Sozialen Medien durchgeführt, eine Queer-Fashion-Party organisiert oder ein Kinderbuch zu Cross-Dressing verfasst. Zudem ist aus einigen dieser Veranstaltungen eine Langzeitforschung zur Inszenierung geschlechtlicher und sexueller Identität auf Pride-Paraden entstanden (zuletzt Tietz 2016).

Für Studierende, die sich dem LSBT*I*-Spektrum zuordnen oder diesem nahestehen hat die Teilnahme an solchen Veranstaltungen oft auch eine persönliche Bedeutung, wobei Identitätsmanagement und -kritik in einem besonderen Spannungsverhältnis stehen; für andere Studierende kann diese die erste bewusste Auseinandersetzung mit Normen der Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität darstellen, was auch zu Verweigerung oder Abwehr führen kann. Solche unterschiedlichen Voraussetzungen und Interessen können zu großen Hoffnungen, deutlichen Enttäuschungen und unerwarteten Konflikten zwischen den Studierenden untereinander und mit dem Lehrenden führen.

Der Beitrag soll theoretische wie methodische Implikationen (z. B. zu vestimentärer Intelligibilität oder zur Verqueerung qualitativer Forschung) und didaktische Konzepte dieser Lehrveranstaltungen reflektieren, dabei Potentiale wie Grenzen ausloten und dadurch zum Austausch mit Kolleg:innen aus Forschung und Vermittlung anregen.

Katharina Tietze:
Frauenberufe?
Die Textilklasse an der Kunstgewerbeschule Zürich von 1906 bis 1938

Aktuell erhält das künstlerische Werk von Sophie Täuber-Arp in unterschiedlichen Ausstellungen und Publikationen international Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Sie unterrichtete von 1916 bis 1929 die Textilklasse in Zürich. Über die vielen anderen Schülerinnen und Lehrerinnen ist aber quasi nichts bekannt. Eine Ausnahme sind die Schwestern Zanolli, denen aktuell eine Ausstellung am Museum für Gestaltung gewidmet ist. Der Beitrag widmet sich den Anfängen der Textilklasse der 1878 gegründeten Schule und ergründet den Beginn einer professionellen Designausbildung und die Zuschreibungen textiler Arbeiten an das weibliche Geschlecht. Als Quellen dienen das Archiv der Zürcher Hochschule der Künste, dass u.a. Schülerkarten und Studienpläne enthält und die Sammlungen des Museums für Gestaltung, die Arbeiten von Studierenden aufbewahrt. Nicht zuletzt geht es darum, Biografien und Werke von Gestalterinnen wie Elsi Giauque, Lucie Turel-Welti, Alice Frey-Amsler, Luise Appenzeller oder Berta Baer zu erforschen und publik zu machen.

Informationen und Anmeldung

Bitte melden Sie sich bis zum 15. April 2022 per Mail an. Die Teilnahme ist kostenfrei. 

Ort
Museum für Gestaltung 
Vortragssaal
Ausstellungsstrasse 60
8005 Zürich
Schweiz

Anfahrt
Haltestelle «Museum für Gestaltung» der Tramlinien 4, 13, und 17 oder fünf Minuten zu Fuss vom Zürcher Hauptbahnhof

Tagungssprachen
Deutsch und Englisch

Gestaltung
Dagna Salwa

Organisation
Anna-Brigitte Schlittler und Prof. Katharina Tietze, Trends & Identity, Zürcher Hochschule der Künste in Kooperation mit dem netzwerk mode textil, gefördert durch die Zürcherische Seidenindustrie Gesellschaft und den Schweizerischen Nationalfonds. 

www.trendsandidentity.zhdk.ch

Im Anschluss an die Tagung findet am Samstag, dem 28. Mai 2022 die Jahresmitgliederversammlung des netzwerk mode textil statt.